Die Prignitz ist nicht der Checkpoint Charlie, nicht die Nikolaikirche in Leipzig und doch finden sich hier auch Jahrzehnte nach der Wende noch Zeugnisse des Alltags der DDR, der politischen Wende und der Grenze, die Deutschland in der Mitte zerrissen hat.
Eine Reise in die Prignitz – das kann auch eine Zeitreise sein. Wer in Wittenberge aus dem Zug steigt und auf dem Deich bis Lenzen radelt, überwindet dabei unbemerkt eine einst unüberwindliche Barriere. In der Elbtalaue verlief von Stromkilometer 472,6 bis 566,3 die innerdeutsche Grenze. Heute bietet hier das UNESO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg eine einmalige Tier- und Pflanzenwelt am naturbelassenen, unbegradigten Strom. Größer kann der Kontrast nicht sein zwischen dem Gedanken an patrouillierende Grenzboote und dem jetzt freien Blick auf die friedlich in der Sonne glitzernde Elbe mit der Fähre darauf. Auf dem Deich herrscht reger Betrieb von Radfahrern und hier und da stolziert ein Storch auf Futtersuche über die Wiesen. Am Fähranleger Lenzen steht einer der wenigen erhaltenen Grenztürme, von denen früher Grenzer die Umgebung kontrollierten. Hier finden Sie einen bunten Bilderbogen an Orten der Prignitz, welche die DDR-Geschichte lebendig halten. Teils ganz konkret, zum Anfassen und andernorts als diffuses Gefühl oder dezenter Hinweis, teils bedrückend, häufig richtig schön nostalgisch, aber vor allem immer bewegend. Gehen Sie auf Entdeckungsreise. Oder besser: Fahren Sie mit dem Rad! Wenn Sie bei Ihrem Streifzug durch die Prignitz auf ältere Einheimische treffen – ergreifen Sie Ihre Chance. Fragen Sie, hören Sie zu. Und spüren Sie, was wir hier nun schon mehrere Jahrzehnte leben: Grenzenlose Freiheit.
Mauerfall in Grün
Wachtürme, Grenzzaun, Minenanlagen, freies Sicht- und Schießfeld, Hundepatrouillen – die Staatsgrenze-West der DDR war so gut gesichert wie kaum eine Grenze der Welt.
Vom Todesstreifen zur Lebensader – Grünes Band bietet Naturerlebnis an der ehemaligen Grenze
Dabei galt es weniger, dem Klassenfeind auf der anderen Seite zu trotzen, als den eigenen Bürgern den Weg dahin zu versperren. 18 Menschen verloren allein im Prignitzer Grenzabschnitt ihr Leben bei dem Versuch, die DDR zu verlassen. Der 21-jährige Hans-Georg Lemme aus Groß Breese bei Wittenberge schaffte es 1974 bis zur Flussmitte, bevor ihn die Schiffsschraube eines Wachbootes erwischte. Der Bootführer wurde nach der Wende aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
Überlebt hat glücklicherweise die Natur. Ohne Grenze wäre die Elbe heute vielleicht genauso kanalisiert wie der Rhein. Als Teil des »Grünen Bandes« entlang der ehemaligen Zonengrenze bietet die Elbe seltenen Tier- und Pflanzenarten einen geschützten Lebensraum im Biosphärenresrevat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg. Durch Rückverlegung des Deiches am sogenannten »Bösen Ort« ist auf über 400 Hektar eine regelmäßige überflutete Auenwildnis entstanden. Das Vierländereck Elbe-Altmark-Wendland ist eine der drei Modellregionen des vom Bundesamt für Naturschutz und aus Mitteln des Bundesumweltministeriums geförderten Projektes »Erlebnis Grünes Band«, das die faszinierenden Naturschätze, die sich entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze entwickeln konnten, erlebbar macht. Drei Wachtürme, Typenbauten aus Betonfertigteilen, die den DDR-Grenztruppen als Beobachtungspunkte dienten, haben die Zeit überdauert. Zwei davon stehen unter Denkmalschutz und sind touristisch erschlossen.
Wachtürme am Elbdeich:
Lenzen – direkt an der Fähre, begehbarer Aussichtsturm
Gandow – am Alten Deich, Besichtigung nach Absprache auf Führungen durch die Auenwildnis
Cumlosen – nicht begehbar
Ebenfalls sehenswert:
Die Burg Lenzen mit der Ausstellung »Flusslandschaft am Grünen Band« sowie dem Burgpark mit NaturPoesieGarten und Auenreich
Auenwildnis Führungen buchbar unter:
BUND Besucherzentrum Burg Lenzen
Burgstraße 3, 19309 Lenzen
www.burg-lenzen.de/burg_lenzen/startseite/
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Radtouren zum Grenzerlebnis
Für Hirn und Hintern: Ost-West-Fahrradtour mit Geschichts-Stopp – Die Grenzlandtour
Ziemlich mittig auf der 52 Kilometer langen Grenzlandtour mit Start und Ziel in Wittenberge liegt Schnackenburg, gesprochen mit einem langen a. Schnackenburg ist die kleinste und zugleich östlichste Stadt Niedersachsens und kann darüber hinaus noch mit einer weiterene Besondersheit aufwarten: dem Grenzlandmuseum. Dass Menschen gerade an diesem Ort Westdeutschlands den Wunsch nach einem Haus des Erinnerns hegten, verwundert nicht: Ein Blick auf eine der großen Karten im Erdgeschoss des Museums macht deutlich, wie sehr die nahe Grenze zur DDR, im Wasser und auf dem Land, die Menschen hier geprägt haben muss – Schnackenburg lag quasi von der DDR »umzingelt« im Nordostzipfel Niedersachsens.
Wendland- sowie Prignitzreisende finden im ersten Stock des Fachwerkhauses an der Alandmündung ein Stück Grenzzaun in Originalhöhe von 3,20 m mit dem Nachbau einer Selbstschussanlage. Schautafeln verdeutlichen die Geschichte des aufwändig gestalteten Aufbaus des Sicherheitsstreifens. Eine Rarität ist der original »Russenpfahl« im Erdgeschoss. Diese Art von Grenzpfahl in den Farben rot für die Sowjetunion und blau für Großbritannien markierte ab 1945 den Grenzverlauf zwischen den Zonen der Kriegsgewinner.
Wer wissen möchte, welche Anreisen die jährlich etwa 5.000 Museumsbesucher in Kauf nehmen, staunt nicht schlecht beim Betrachten der Karte im Treppenaufgang mit Hunderten von Stecknadeln.
Ebenfalls sehenswert
Lanz ist der Geburtsort des Turnvater Friedrich Ludwig Jahn. Er war ein bedeutender Pädagoge, Schriftsteller des frühen 19. Jahrhunderts. Die Gedankstätte in der kleinen Schule liegt quasi auf der Route der Grenzlandtour.
Grenzenlos schön – Weitblick auf der Lenzerwische-Tour
Als Lenzerwische bezeichnet man den von Wasser geprägten Landstrich zwischen Löcknitz und Elbe. Heute ein Radlerparadies, prägte hier 40 Jahre lang die gut gesicherte Grenze zum Klassenfeind das Landschaftsbild. Die Bewohner der Elbdörfer führten ein Leben unter steter Beobachtung, ab 1972 trübte der Streckmetallzaun auch noch massiv den Elbblick.
Die Dörfer hinterm Deich sind klein: Viele aufgegebene Höfe wurden abgerissen. Dass es die wunderbar auf einer Warft und ehemals im Sperrgebiet gelegene Kietzer Kirche noch gibt, ist dem beherzten Handeln der Anwohner zu verdanken: 1999 gründeten sie für das Gotteshaus mit der maroden Dachkonstruktion einen Förderverein, schon zu Heiligabend war die Kietzer Kirche wieder komplett geöffnet. Familie Tietz erhält im »Café Kietz - Zur Alten Wecksternburg« gern von dem Projekt. Im »Alter Hof am Elbdeich« in Unbesandten erwarten Spurensucher nicht nur vorzügliche Speisen, sondern auch die weit und breit einzige Möglichkeit, sich den Grenzzaun vor Augen zu führen. Eine Fotografie zeigt die bedrückende Szenerie am Deich.
Pragmatisch ging man in Mödlich mit dem 1989 überflüssig gewordenen Zaunmaterial um: Das Streckmetall eignete sich für vielerlei Zwecke. Im »Café Elbeglück« liegt ein Stück davon vor dem Haus. Als Fußabtreter.
Café zur alten Wencksternburg
Ringstraße 3, 19309 Lenzerwische GT Kietz
www.cafe-kietz.de
Alter Hof am Elbdeich
Am Elbdeich 25, 19309 Unbesandten
www.alter-hof-am-elbdeich.de
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Wandertouren zum Grenzerlebnis
Rundwanderweg Auenerlebnis
Auwälder, die mitten im Wasser stehen und eine faszinierende Vielfalt seltener Wasservögel – so präsentiert sich Ihnen ein Stück lebendiger Flusslandschaft direkt vor den Toren der Stadt Lenzen. Entdecken Sie die Auenwildnis auf einer 14 Kilometer langen Wandertour über den Elbdeich und einen ehemaligen Fährdamm. Je nach Jahreszeit bestimmt das tausendfache Konzert von Fröschen und Unken die Luft, der Ruf wilder Gänse, das Trompeten der Kraniche oder die melancholische Melodie der Singschwäne. Wenn Sie Flussnatur hautnah erleben möchten, sind Sie hier goldrichtig: Dort, wo in den vergangenen Jahren der Elbdeich zurückverlegt wurde, um der Elbe verloren gegangene Überschwemmungsflächen zurückzugeben, entstand auf 400 Hektar ein einzigartiger Lebensraum für viele seltene Pflanzen und Tiere. Vom erhöhten Elbedeich aus bekommen Sie faszinierende Einblicke in die neue Auenwildnis. Der Beobachtungsstand »Auenblick« lädt zum Verweilen und Staunen ein.
Mehr Informationen: www.burg-lenzen.de
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Grenzen überwinden: Geschichte im Fluss – Ilka verbindet, was zusammengehört
Eine Fährverbindung zwischen Lütkenwisch und Schnackenburg ist bis in die Anfänge des 17. Jahhunderts überliefert. 1945 setzte »der Russe« dem Fährverkehr gewaltsam ein Ende – auf die andere Seite zu gelangen, war von nun an undenkbar, die innerdeutsche Grenze verlief mitten im Fluss. Angespornt durch die erfolgreiche Wiederaufnahme benachbarter Fährverbindungen nach der Wende griff der Schnackenburger Klaus Reineke 1991 tief in die Tasche und kaufte in Holland eine Fähre. Seit dem 7. September 1991 verbindet Ilka nun wieder, was zusammengehört.
Innerhalb der ersten elf Monate übernahm Reineke sämtliche Schichten persönlich und wurde Zeuge ungezählter emotionaler Momente: Menschen fielen sich um den Hals und wollten sich nicht wieder loslassen. Das Geschäft florierte, das Bedürfnis, das schmerzlich vermisste andere Ufer zu betreten, war enorm. Ein Denkmal wurde dem während des Krieges geborenen, gelernten Binnenschiffer und späteren Zollbeamten bereits zu Lebzeiten gesetzt: Am Schnackenburger Fähranleger erinnert ein nicht zu übersehendes Schild an die Aufheben der unmenschlichen Trennung eines Kontinents.
Die Ilka verkehrt, vorausgesetzt der Wasserstand stimmt, täglich. Mit etwas Glück kann man Klaus Reineke, der seit 2004 im Ruhestand ist, in den Sommermonaten noch als Aushilfe am Steuer erleben.
Fährbetrieb Lütkenwisch – Schnackenburg
Für eine Radtour bietet sich auch an:
Fährbetrieb Pevestorf-Lenzen
Ebenfalls sehenswert
Angekommen im Wendland, nur eine Gehminute vom Anleger in Schnackenburg entfernt, befindet sich das Grenzlandmuseum. Ein Stück Grenzzaun mit Selbstschussanlage und unzähligen Exponaten halten die Erinnerung an 40 Jahre innerdeutsche Grenze wach. Nur zehn Fahrradminuten weiter erinnert die Gedenkstätte Stresow an das gleichnamige Dorf, das 1974 von der DDR-Staatsmacht im Rahmen der »Aktion Ungeziefer« komplett ausgelöscht wurde.
DDR-Geschichtsmuseum im Dokumentationszentrum Perleberg
Gegen das Vergessen kämpfte Hans Peter Freimark in Perleberg. Der frühere Pfarrer hat sich zum Ziel gesetzt, die Lebenswirklichkeit der DDR zu dokumentieren, um zu verhindern, dass im Rückblick ein geschöntes oder verzerrtes Bild entsteht. Liebenswertes aus dem Alltag zwischen Elbe und Oder gehört genauso dazu wie Zeugnisse eines Systems, das jede selbstbestimmte Abweichung von diesem Alltag gnadenlos verfolgte.
Wer erinnert sich heute noch an Spruchbänder, die früher die grauen Häuserzeilen schmückten, mit Aussagen wie »Die Lehre von Marx ist allmächtig, weil sie wahr ist« oder an das damals ernst gemeinte Lied »Die Partei, die Partei, die hat immer recht«? Zu den Themen Staat, Blockparteien, Massenorganisationen, Staatssicherheit, Schule, Konsum und Wohnen sind Ausstellungen fertig, weitere sind in Vorbereitung. Das Anfassen vieler Objekte ist ausdrücklich erlaubt. Eine umfangreiche Bibliothek regänzt das Angebot, regelmäßig finden Vortragsabende statt. Am 7. Oktober, dem Staatsfeiertag der DDR, und am 1. Mai wird geflaggt und im Museumscafé gibt es die optimale Kombination: Ostkuchen und Westkaffee.
Freimark lebte bis zu seinem Lebensende im Jahr 2020 für das Museum, verschwieg nie etwas. Nun führt es seine Frau in diesem Sinne weiter. Nirgendwo sonst kann man sich so breit wie hier über die DDR informieren.
DDR-Geschichtsmuseum
Feldstraße 89a, 19348 Perleberg
www.ddr-museum-perleberg.de
Ebenfalls sehenswert
Passend zum Thema ist ein Teil der Sammlung im Wegemuseum Wusterhausen/Dosse. Hier gibt es Akten, Augenzeugenberichte und Originelles vom Interzonenstraßenrand zu bestaunen.
www.wegemuseum.de
Fluchtzeug im Oldtimer- und Technikmuseum Perleberg
Willkommen im Reich der Schrauber und Bastler! Weil in der DDR Seriengefertigtes nicht immer einfach zu bekommen war, griffen viele zur Selbsthilfe und improvisierten. Und so zeigt das Oldtimer-Museum in Perleberg eben nicht nur Wolgas, Ladas, Wartburgs und Trabants, MZs und Simsons, die in den einschlägigen volkseigenen Betrieben vom Band liefen, sondern auch das, was die Menschen aus dem gemacht haben, was gerade zur Verfügung stand. Zum Beispiel ein Fluchtzeug mit Trabant-Motor. Mit dieser kurz vor der Wende in einem privaten Hinterhof zusammengebauten Mischung aus Segelflugzeug und Drachenflieger wollte einst der Perleberger Siegfried Ryll den Arbeiter-und-Bauern-Staat verlassen. Absolute Klassiker der Bastlerszene waren die sogenannten K-Wagen, in denen zum Beispiel Siegfried Wulf aus dem benachbarten Demerthin mit 200 km/h der Goldmedaille bei den DDR-Meisterschaften entgegenraste.
Die Perleberger Oldtimer-Freunde schrauben weiter. Im Museum, für das die Stadt ihnen eine alte Turnhalle am Stepenitzufer zur Verfügung stellte, zeigt der 50 Mitglieder starke Verein etwa ein Zehntel seines stark durch Osttechnik geprägten Bestandes: von der Tatra-Limousine bis zur »Brockenhexe«, vom Fahrradhilfsmotor bis zum Panzer.
Oldtimer-Museum
Turnhalle Wilsnacker Straße 12, 19348 Perleberg
www.oldtimerfreunde-perleberg.de
Ebenfalls sehenswert
Wer von historischen Fahrzeugen einfach nicht genug bekommen kann, dem empfehlen wir die Fahrt nach Beuster: Im Blaulichtmuseum im sachsenhaltischen Ort etwas südlich der Elbe dreht sich alles um Polizei-, Feuerwehr- und Armeefahrzeuge. Eine Vielzahl von DDR-Relikten ergänzt die Ausstellung auf dem weitläufigen Hofgelände.
blaulichtmuseum-beuster.de
Der Youngster unter den Denkmälern – Die Kantine »Alte Zellwolle« in Wittenberge
Die Kantine des ehemaligen Zellstoff- und Zellwollewerks liegt im ersten Stock eines typischen DDR-Zweckbaus. Der einzige noch existierende dieser Bauart übrigens. Quadratisch-praktische Architektur, das Monumentalgemälde auf kompletter Länge, die gläsernen Raumteiler: Typisch DDR. Das geschmackssichere Finish mit dem Ergebnis eines schlicht-eleganten, lichten Saals: Das Werk Lars Meiswinkels. Meiswinkel, Besitzer und Betreiber der Denkmal-Kantine, hat aus seinem eigenen Ideenfundus geschöpft, während er in den vergangenen Jahren zusammen mit den Kollegen vom Denkmalschutz behutsam für ein zeitgemäßes Raumflair gesorgt hat. Orange und gelb herrschen jetzt vor, wo ehemals dunkles Waldgrün mit bordeauxfarbenen Vorhangschals 80er-Jahre-Ostchic versprühte und auf die Stimmung drückte. Museal geht es hier übrigens in keinster Weise zu: Täglich verlassen bis zu 1.700 Essen die Kantinenküche und Gäste sind ausdrücklich erwünscht. Der Prignitzreisende darf sich hier über Klassiker der deutschen Kantinenkultur freuen. Gern wird der Ausnahmesaal, der seit 2015 unter Denkmalschutz steht, auch für festliche Veranstaltungen gebucht: Bei unbestuhlten Veranstaltungen sollen hier schon 800 Gäste gezählt worden sein. Übrigens: Hinterm Gebäude findet der Interessierte einige beeindruckende Relikte des Zellstoffwerks.
Lucullus GmbH
Denkmalkantine »Alte Zellwolle«
Zum Schöpfwerk 2, 19322 Wittenberge
Ebenfalls sehenswert
Einen Katzensprung entfernt befindet sich der Veritas-Park mit dem Wahrzeichen Wittenberges, dem Singer Uhrenturm. Nach dem Krieg waren die Fabrikgebäude 40 Jahre lang Sitz des VEB Veritas, bis 1991 liefen hier über 14 Millionen Nähmaschinen gleichen Namens vom Band. Eine Veritas der Baureihe 8014 war im Besitz vieler Familien in der DDR. Ein Exportschlager war sie obendrein: In der BRD wurden Wittenberges Nähmaschinen unter dem Namen »Naumann« vertrieben. Geblieben ist der Name: Als Veritas-Park ist das Gelände östlich der Wittenberger City gut bekannt, es beheimatet bis heute produzierendes Gewerbe. Der Uhrenturm ist Außenstelle des Museums »Alte Burg« und von Mai bis Oktober täglich zu besteigen und zu besichtigen. Eine Vielzahl an Nähmaschinen, aber auch reichlich Einblicke in das Arbeiten in einem fortschrittlichen Betrieb mit umfassenden Sozialleistungen vom Ostseeferienheim bis zur Kegelbahn werden dem Besucher in Bild und Schrift nahegebracht.
Veritas-Park
Wilsnacker Straße 48, 19322 Wittenberge
Führungen können auch über die Touristinformation gebucht werden – Kontakt siehe unten.
Das Stadtmuseum »Alte Burg« mit der Ausstellung »Ein VEB war mehr als ein Produktionsbetrieb – die Geschichte des Nähmaschinenwerkes von 1945 bis 1991« erzählt die Geschichte vom Wiederaufbau des Betriebes nach der Demontage 1945, von der Entwicklung zum größten Haushaltsnähmaschinen-Produzenten im sozialistischen Wirtschaftsraum und von den Menschen, die diesen Betrieb ausmachten.
Stadtmuseum »Alte Burg«
Putlitzstraße 2, 19322 Wittenberge
Pritzwalks Kulturmeile bietet qualitätsvolle DDR-Architektur im Überblick
Wer meint, die Planungskollektive der DDR hätten nichts als fantasielose Plattenbauten hervorgebracht, wird in Pritzwalk eines Besseren belehrt. Gleich zwei Baudenkmale in direkter Nachbarschaft belegen nicht nur, dass Qualität möglich war, sondern stehen auch für einen tiefgreifenden Umbruch in der Architektursprache. Zum einen das 1959 fertiggestellte, nach dem kommunistischen Schriftsteller Erich Weinert benannte Kulturhaus: Stein auf Stein errichtet, mit einem prunkvollen Säulenportal, ist es ein Beispiel für den handwerklich geprägten Neoklassizismus des sogenannten DDR-Nationalstils. Das Haus wird nach wie vor genutzt für größere Veranstaltungen, Theater- und Kinovorführungen. Zum anderen die 1978 fertiggestellte Stadtbibliothek als Beispiel für die Moderne: Der in industrieller Typenbauweise gefertigte Betonplattenbau mit markantem Wellendach überzeugt durch einen großen, lichtdurchfluteten Raum. Sein in Grün und Braun gehaltenes Interieur aus der Erbauungszeit ist komplett erhalten, mitsamt Anmelde, Regalsystemen, Stühlen und Sitzgruppen, Textilfußboden und Lamellendecke. Sogar – Multimedia lässt grüßen – Abspielgeräte für Platten und Kassetten sowie Kopfhörer sind noch vorhanden. Ein Skulpturengarten aus den 1980er-Jahren vervollständigt das Ensemble.
Kulturhaus Ericht Weinert
Kietz 63, 16928 Pritzwalk
www.kulturhaus-pritzwalk.de
Stadtbibliothek Pritzwalk
Kietz 64, 16928 Pritzwalk
Ebenfalls sehenswert
Museumsfabrik Pritzwalk in der ehemaligen Tuchfabrik mit wechselnden Sonderausstellungen. Die Dauerausstellung beherbergt insbesondere eine Ausstellung zur Stadtgeschichte zur Zeit der DDR. Einen Überblick über Stadt und Umland gewinnt man vom Aussichtsturm der Museumsfabrik.
Museumsfabrik Pritzwalk
Meyenburger Tor 3a, 16928 Pritzwalk
www.museum-pritzwalk.de