Baukultur in der Prignitz
Ein Gastbeitrag von Jan Schormann (UNESCO Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg)
Menschliches Schaffen und Wirken hinterlässt über die Jahrhunderte interessante Spuren, die sich manchmal erst beim zweiten Blick offenbaren. Wer in Ruhe und wachen Auges eine Landschaft mit ihren Ortschaften entdeckt, erlebt eine spannende Zeitreise durch das kulturelle Erbe einer Region. Im UNESCO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe und in der gesamten Prignitz lohnt das ganz besonders, denn die ländliche Baukultur ist hier noch sehr gut erhalten und steckt voller spannender Geschichten.
Die Häuser stecken ihre Köpfe zusammen - fast so als würden sie miteinander tratschen
Baukultur beschreibt hier übrigens nicht allein die Architektur der Region, sondern ein Geflecht aus Siedlungen und Freiräumen, Gärten und Schlossparks. Baukultur wirkt hinein in die Landschaft, umfasst wertvolle Alleen und Kopfweiden als Elemente der traditionellen durch Menschen geformten Kulturlandschaft. Schärfen wir also den Blick und richten diesen zunächst auf die vielerorts sehr gut erhaltenen historischen Dorftypen der Region: Stehen die Häuser um einen runden Platz herum, fast so als würden sie die Köpfe zusammenstecken und miteinander tratschen, dann befinden wir uns in einem sehr ursprünglichen Dorftyp, dem »Rundling« – Kuhblank ist ein sehr schönes Beispiel dafür. Stehen die Häuser »in Reih‘ und Glied«, bilden also mit den Fassaden eine exakte Flucht entlang des Weges, so ist dies ein »Straßendorf« – Groß Breese ist ein solches und hat einen weiteren sehr wertvollen Schatz im Ort: eine 6-reihige Baumallee, in dieser Ausprägung einzigartig.
Verwunschenen Orten auf der Spur
Die Prignitzer Ortschaften prägt das rot der Häuser und Scheunen aus Backstein. Oft in Form prächtiger Vierseitenhöfe. Ältere Gebäude sind meist in Fachwerkbauweise errichtet. Das interessante an dieser traditionellen ländlichen Bauweise: die Baustoffe (Holz, Lehm, Ziegel, Findlinge) sind besonders nachhaltig und ressourcenschonend, weil sie aus natürlichen Materialien aus der direkten Umgebung bestehen. Und dann gibt es da noch die ganz besonders geheimnisvollen Orte. Alte Burgen und Schlösser mit verwunschenen Parks voller ehrwürdiger Baumriesen, die eine beeindruckende Artenvielfalt beherbergen. Bedrohte Fledermausarten fühlen sich hier wohl. Sehr sehenswert sind die Plattenburg – eine der am besten erhaltenen Wasserburganlagen in Norddeutschland – und die Burg Lenzen. Der Burghügel hütet ein sehr besonderes Geheimnis der Baukultur vergangener Zeiten. Gut geschützt in tieferen Schichten befinden sich die spektakulär gut erhaltenen Reste einer mehr als 1.000 Jahre alten slawischen Burganlage, die bei Sanierungsmaßnahmen der heutigen Burg Lenzen entdeckt wurden.